Faktor Lage

Wo sollten Krankenhäuser gebaut werden?

Arbeitsprozesse, Ausstattung, Ambiente – vieles gilt es bei der Planung von Kranken­häusern zu beachten. Doch ein Faktor ist für den gesamten Lebenszyklus der Klinik von allergrößter Bedeutung: die Lage des Kranken­hauses. Wo soll das Krankenhaus errichtet werden? In der Stadt, am Stadtrand oder außerhalb der Stadt „auf der grünen Wiese"? Ist ein Greenfield Neubau sinnvoll oder doch die innerstädtische Revitalisierung die klügere Entscheidung?

Status Quo

Wie ist die Situation in Deutschland, Österreich und der Schweiz?

Die Flächen werden knapper, die Krankenhäuser sind in die Jahre gekommen und die Qualität der medizinischen Versorgung muss zukünftigen Entwicklungen standhalten. In Deutschland, Österreich und der Schweiz weisen viele Krankenhäuser mittlerweile einen erheblichen Sanierungsstau auf. Die Bausubstanz ist in Bezug auf Bau und Technik häufig veraltet. Viele Bundesländer und Kantone sind ihren gesetzlichen Verpflichtungen meist seit Jahren nicht ausreichend nachgekommen. Dem entgegen stehen die technische und medizinische Weiterentwicklung, das Bestreben nach effizienteren Prozessen, zukunftsfähige Energiekonzepte, der Wunsch nach einer Steigerung der Behandlungsqualität durch einen besseren baulich-funktionalen Rahmen. So haben auch besonders die vergangenen zwei Jahre, die von der Pandemie geprägt waren, gezeigt, wie wichtig eine gute, medizinische Infrastruktur für die Bürger:innen sein kann. Vielfach weisen bestehende Gebäudestrukturen kein oder wenig Anpassungspotential auf, um moderne medizinische, pflegerische und logistische Prozesse und Anforderungen zu ermöglichen.

Wenn die grundsätzliche Entscheidung zu umfassenden Erneuerungsmaßnahmen der Klinik getroffen wurde, kommt oftmals die Frage auf, inwieweit eine Sanierung und Erweiterung der bestehenden Gebäude - oftmals inmitten der Stadt - möglich ist oder ob ein Neubau, wo auch immer, die bessere Alternative ist.

"Die Entscheidung über den Standort beeinflusst die Zukunft in hohem Maße."

Eine Frage von Lage und Konzentration

Die Standortfrage

Konzentrationsprozesse sind im Gesund­­heits­­wesen in fast allen westlichen Ländern unabdingbar, andere Länder wie beispiels­weise Dänemark sind schon weit fortgeschritten. In Deutschland ist zu beobachten, dass mehr und mehr kleinere Kliniken zu einem großen Zentralkrankenhaus oder einem Klinikcampus zusammengefasst werden. So wird die medizinische Versorgung verbessert, Expertise gebündelt und Prozesse effizienter gestaltet.

Bezogen auf die Standortfrage, sind Überlegungen, die sich im ländlichen Raum ergeben, völlig andere als in den Städten. Aber in beiden Fällen wird man künftig um Konzentrationsprozesse und Zusammenlegungen nicht umhinkommen. Der Standort der Gesundheitseinrichtung und somit die Qualität und die Erreichbarkeit des Baugrundstücks sind in allen Fällen von sehr hoher Bedeutung. Die gute Erreichbarkeit für alle Bürger:innen ist von größter Bedeutung, der etwas weitere Weg in das Zentralkrankenhaus ist für manche besser als ein neues Krankenhaus mit schlechter verkehrstechnischer Anbindung. Kleinere und auch größere Städte stehen auch oft vor der Frage, ob man einen bestehenden Klinikstandort schließen sollte und einen weiteren ausbauen und erweitern sollte, oder doch an mehreren Standorten mit geringen Entfernungen zueinander festhalten sollte. Auch hier ist wichtig abzuwägen, ob man nicht doch ein völlig neues Grundstück suchen sollte, ob außerhalb der Stadt, in der Stadt oder am Standrand.

Chancen und Risiken der Standortvarianten

Die Entscheidung über den Standort beeinflusst die Zukunft in hohem Maße, bieten die verschiedenen Standorte doch vollkommen unterschiedliche Möglichkeiten. Gleichzeitig bringt jede Standortvariante eigene Heraus­forderungen mit sich. Chancen und Risiken müssen abgewogen, Ausgangssituationen müssen betrachtet, Anforderungen müssen geprüft und Zukunftstrends müssen beachtet werden.

„Manches Mal wäre der innerstädtische Standort besser gewesen, scheiterte aber an politischen Mehrheiten oder Befindlichkeiten. “

Prof. Linus Hofrichter
Geschäftsführer a|sh architekten

Projektbeispiel Universitätsspital Zürich

Inmitten der Stadt

Bei einem Krankenhaus inmitten einer Stadt profitiert das Gebäude von der vorhandenen Infrastruktur: So bietet sich den Patient:innen die Möglichkeit, das Klinikum mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Fahrrad optimal zu erreichen. Ebenso bietet sich beim Bauen im Bestand die Möglichkeit vorhandene Gebäude zu sanieren und mit Teilneubauten zu ergänzen, was ressourcenschonender sein kann als einen kompletten Neubau zu realisieren.

Ebenso wird der Schutz der Umwelt in diesem Fall durch die Vermeidung einer fortschreitenden Flächenversiegelung unterstützt, kann hier doch ein bereits bestehendes Gebäude weiterentwickelt werden, anstatt durch einen Neubau weitere Flächen außerhalb der Stadt zu versiegeln. Eine besondere Chance der innerstädtischen Lage liegt auch in der Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit dem Ort. So prägen Kliniken das bestehende Stadtbild und werden von den Menschen der Stadt mit persönlichen und vielfältigen Erinnerungen verbunden. Jedoch bringt die innerstädtische Lage auch Heraus­forderungen mit sich: Mangelnde Parkmöglichkeiten und baulich nicht mehr an die heutigen Anforderungen angepasste Gebäude. Auch der Mangel an Erweiterungsflächen kann ein Argument gegen eine Innenstadtlage des Kranken­hauses darstellen, ebenso wie die erschwerte Optimierung von Prozessen innerhalb des Klinikums, in der Pflege und der Logistik.

Ein Beispielprojekt für eine gelungene, innerstädtische Lösung ist das Universitätsspital Zürich (Campus Mitte 1): Es liegt mitten in der Stadt und wird hier nun durch vier große Gebäude mit qualitätvollen Freiräumen ergänzt. Die Stadtraumtypologien werden sorgfältig aufgenommen und weitergestrickt. So entsteht auch ein durchgehendes Grünraumkonzept.

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Projektbeispiel Klinikum Coburg

Am Stadtrand

Ein Krankenhaus am Stadtrand kann die Vorteile eines Kranken­hauses in der Stadt und außerhalb der Stadt vereinen, diese aber in manchen Fällen nicht voll ausschöpfen. So ist auch hier eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr gegeben, die Erreichbarkeit ist jedoch nicht ganz so einfach wie in der Innenstadt. Dafür ist aber auch die Schaffung von möglich. Ebenso können die Vorteile eines Neubaus gegenüber einer innerstädtischen Krankenhaussanierung sowie der dadurch entstehende Gestaltungsspielraum genutzt werden, jedoch sind häufig mehr Beschränkungen des Neubaus gegeben als außerhalb der Stadt auf der grünen Wiese, weil viele Städte schlichtweg Probleme haben Grundstücke zu finden, die für eine neue Klinik geeignet sind.

Beim Neubauprojekt des Klinikums Coburg wurden die Vorteile der Grundstückslage genutzt: Das Klinikum Coburg liegt am Stadtrand mit einer Distanz zur Innenstadt von rund sechs Kilometern. Die verkehrstechnische Anbindung des Klinikums ist gegeben. Verstärkend sind sich regionale Bezüge wie z.B. der Blick zur Veste Coburg identitätsstiftend auswirken und die Besonderheit des Ortes aufgreifen.

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Projektbeispiel Gesundheitscampus Lörrach

Außerhalb der Stadt

Die dritte Variante, der Krankenhausneubau auf der grünen Wiese außerhalb der Stadt bietet die einzigartige Chance, ein ganz neues Krankenhaus zu entwerfen mit optimalen Grundrissen, die die Effektivität steigern und optimale Prozesse im Klinikalltag möglich machen. Auch kann ein solcher Neubau präzise auf Anforderungen reagieren und sich auf modernste Technik einrichten. Die Planbarkeit des Bauprojekts steigt und die Bauzeiten verkürzen sich. Das ermöglicht ein risikoärmeres und kostengünstigeres Bauen. Für den Individualverkehr bieten sich bei dieser Standortvariante sehr gute Bedingungen, die Anbindung an Verkehrswege kann gewährleistet werden und Parkplätze können angeboten werden. Allerdings ist die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln hier schwieriger und die Identifikation mit dem Ort ist weniger gegeben. Voraussetzung für all diese Vorzüge ist ein Grundstück, welches in Bezug auf Größe, Zuschnitt, Höhenlage und Erweiterbarkeit geeignet ist. Nicht zu unterschätzen sind die meist sehr aufwendigen Erschließungen, die bei einem Bau im Außenbereich notwendig werden. Neue Straßen, aufwändige Medienerschließungen und Umweltschutzthemen sind zu bewerten und auch einzupreisen.

Ein Ergebnis eines Konzentrationsprozesses mit Neubau auf "der grünen Wiese" ist das Zentralklinikum Lörrach. Der sogenannte "Gesundheitscampus Lörrach" ist außerhalb der Stadt gelegen und in der Struktur eines Kleeblatts realisiert. Auf dem Campus entsteht nebem dem neuen Klinikum ein Zentrum für Seelische Gesundheit, eine DRK-Rettungswache, ein Ärztehaus und ein Gesundheitskaufhaus. Dabei wird das neue Klinikum vier bisherige Klinik-Standorte unter einem Dach vereinen und mit dem Zentrum für Seelische Gesundheit die wohnortnahe psychiatrische Versorgung deutlich ausweiten.

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Entscheidung über den Standort

In der Stadt, am Stadtrand oder außerhalb der Stadt?

Die Rahmen­bedingungen müssen in jedem Kranken­haus­bauprojekt sorgfältig abgewogen werden - es gibt keine pauschale Antwort. Der Trend zum Zentralklinikum ist zwar für viele aktuelle Heraus­forderungen eine sinnvolle Option, aber die Frage nach dem Ort sollte im Vorfeld gut untersucht werden und weniger politischen Interessen folgen, sondern das Krankenhaus in seiner größeren Dimension im Kontext von Gesellschaft denken.

Der Artikel erschien in der KU Gesundheitsmanagement Ausgabe Juli 2022 und kann HIER in voller Länge gelesen werden.